Kapitel 6: International zusammenarbeiten

Wir treiben die sozial-ökologische Transformation voran

Schubkraft für globale Transformation
In den nächsten Jahren braucht es dringend einen energischen Schub für eine sozial-ökologische Transformation. Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und des Klimaabkommens von Paris waren ein Aufbruch. Wir wollen einen Nachhaltigkeits- und Menschenrechts-TÜV für alle Politikbereiche einführen. Es gilt, unsere internationalen Zusagen einzuhalten und die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-Quote sowie der internationalen Klimafinanzierung und Biodiversität zu erfüllen. Deutschlands Beitrag soll die ODA-Quote erfüllen und bis 2025 acht Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung bereitstellen.

Klimaaußenpolitik
Klimaaußenpolitik bedeutet zum einen, dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken helfen. Andererseits werden wir so endlich unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und Technologietransfers und den Ausbau der Erneuerbaren Energien insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben – mit der Stärkung bestehender Fonds für Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und mit einem neuen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“).

Klima- und Umweltschutz schützt Menschenrechte
Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender Umweltveränderung ihre Heimat verlassen müssen. Zugleich wollen wir jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen haben. Die „Task Force on Displacement“ wollen wir strukturell stärken und setzen uns dafür ein, dass ihre Empfehlungen ebenso umgesetzt werden wie der Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration sowie der Globale Pakt für Flüchtlinge.

Armut weltweit bekämpfen
Menschen müssen weltweit sozial abgesichert werden. Wir wollen gemeinsam mit lokalen Organisationen und Expert*innen zum Aufbau und einer nachhaltigen Stärkung von sozialen Sicherungssystemen beitragen. In einem ersten Schritt durch finanzielle Direkthilfen („social cash tranfers“) im Rahmen der ODA-Mittel. Grundsätzlich wollen wir, dass soziale Sicherungsprogramme die vulnerabelsten Gruppen erreichen – und Geschlechtergerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt fördern.

Wir stärken die multilaterale Zusammenarbeit

Vereinte Nationen reformieren
Das Engagement Deutschlands und der EU für die Vereinten Nationen werden wir finanziell, personell und diplomatisch substanziell verstärken, besser koordinieren und internationale Vereinbarungen konsequent in nationale und europäische Politik umsetzen. So schaffen wir die Voraussetzungen für notwendige Reformen des VN-Systems. Der Sicherheitsrat und andere Organe der Vereinten Nationen sollten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Das Konzept der Vetomächte ist nicht mehr zeitgemäß.

Resilienz gegen Epidemien erhöhen – WHO stärken
Wir wollen die WHO in ihrer Ausstattung mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als koordinierende Organisation der globalen Gesundheit stärken. In der Gruppe der G20 werden wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. Medikamente und Impfstoffe müssen in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein, das Patenrecht entsprechend flexibel. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht versperren.

50 Prozent Frauen in internationalen Verhandlungen
Wir wollen schrittweise für Deutschland und Europa eine 50 Prozent-Quote für Frauen in allen diplomatischen und multilateralen Verhandlungen, für die Entsendung in internationale Organisationen sowie auf den Umsetzungsebenen durchsetzen. Es braucht vergleichbare Kriterien, Standards, Indikatoren und Zeitrahmen für die Gleichstellungspläne der Ministerien, vergleichbar mit dem „Gender Equality Plan“ nach dem Vorbild der schwedischen Regierung.

Wir arbeiten an guten Beziehungen in einer multipolaren Welt

Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik
Wir treten für Fortschritte bei der europäischen Integration des westlichen Balkans und eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien ein. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien in den östlichen Nachbarländern und wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen. Den EU-assoziierten Ländern der Östlichen Partnerschaft wollen wir den Weg zu einem EU-Beitritt offenhalten. Den Mittelmehrraum wollen wir im Rahmen ambitionierter Energiepartnerschaften gemeinsam zu einer Plus-Energie-Region machen.

USA
Die transatlantische Partnerschaft muss erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten und demokratischen Zielen ausgerichtet werden – mit einem starken gemeinsamen Impuls für die weltweite Klimapolitik. Wir wollen uns gemeinsam für den weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen und über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland verständigen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen.

China
Wir verlangen von China ein Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend auch in Hongkong. Es braucht dennoch einen konstruktiven Klima-Dialog mit China. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Wir werden an einer engen europäischen und transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, besonders auch in den Bereichen 5G-Ausbau und Schutz kritischer Infrastruktur.

Russland
Die mutige Zivilgesellschaft, die der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch intensivieren. Wir werden an einer Lockerung der Sanktionen zu den klaren Bedingungen der EU festhalten und sie bei Bedarf verschärfen. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 muss gestoppt werden.

Türkei
Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtstaatsverletzungen, fordern eine Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu einem politischen Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage. Wir weisen die aggressive Außenpolitik der türkischen Regierung entschieden zurück und fordern sie auf, zu einer multilateralen Außen- und Sicherheitspolitik zurückzukehren. Der bestehende EU-Türkei-Deal untergräbt internationales Asylrecht ist gescheitert und muss daher beenden werden. Dafür braucht es ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes Abkommen.

Israel und Palästina
Die Existenz und die Sicherheit Israels als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für all seine Bürger*innen sind unverhandelbar. Die Fortsetzung der engen Beziehungen sowie Frieden und Stabilität im Nahen Osten sind ein zentrales Anliegen deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten oder der fortschreitende völkerrechtswidrige Siedlungsbau laufen dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung des Konflikts entgegen. Für Frieden und Sicherheit braucht es eine Zweistaatenregelung mit zwei souveränen, lebensfähigen und demokratischen Staaten für Israelis und Palästinenser*innen.

Nachbarschaft und Partnerschaft mit Afrika
Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Wir machen uns für eine gemeinsame und kohärente EU-Afrika-Strategie stark, die Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung ebenso ins Zentrum rückt wie die globale sozial-ökologische Transformation und zivile Krisenprävention. Der Afrikanischen Union stehen wir bei der Umsetzung ihrer Agenda 2063 und der regionalen Entwicklungsagenden nach Kräften zur Seite.

Wir verteidigen die Menschenrechte

Menschenrechtsverteidiger*innen schützen
Menschenrechtsverteidiger*innen bedürfen unseres Schutzes, unserer Solidarität und aktiven Unterstützung – auf allen Ebenen. An den besonders betroffenen deutschen Auslandsvertretungen sollten Menschenrechtsreferent*innen als extra Anlaufstelle etabliert werden. Für Menschenrechtsverteidiger*innen, die in ihrem Land akut gefährdet sind, wollen wir schneller und häufiger humanitäre Visa bereitstellen und die Elisabeth-Selbert-Initiative zu ihrer temporären Aufnahme ausbauen.

Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft bleiben. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten ausbauen. International setzen wir uns für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Die individuelle Traumabearbeitung wollen wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.

Keine Überwachungstechnologie für Diktaturen
Oft sind es europäische Überwachungstools, die es autokratischen Regierungen ermöglichen, unliebsame Aktivist*innen zu verfolgen. Wir zielen auf ein europäisches Moratorium für die Ausfuhr, den Verkauf und die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime. Wir fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation, da diese tagtäglich Menschenleben rettet.

Für Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen weltweit

Ohne Geschlechtergerechtigkeit kann auch Armut nicht wirksam bekämpft werden. Wir setzen uns konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit ein. Bildung und Gesundheit sind dafür die Schlüssel. Wir engagieren uns dafür, Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gleichwertiger Bildung zu sichern sowie ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu schützen. Unsere internationale Zusammenarbeit werden wir darum finanziell und konzeptionell auf diese Aufgabe hin ausrichten.

Menschenrechtskonventionen umsetzen, Institutionen stärken
Internationale Menschenrechtskonventionen müssen ratifiziert und Menschenrechtsinstitutionen gestärkt werden. Auf europäischer Ebene setzen wir uns für die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein. Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter und das Deutsche Institut für Menschenrechte wollen wir besser ausstatten.

Rechte von Minderheiten schützen
Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Minderheiten auf internationaler Ebene zu stärken – auch innerhalb der EU und treten außenpolitisch für die weltweite Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien zum Schutz von LSBTIQ* ein. In der Entwicklungspolitik wollen wir hier einen neuen Fokus setzen und unser Engagement deutlich steigern. In der EU werden wir uns für die Verabschiedung der 5. Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen. Den EU-Aktionsplan gegen Rassismus treiben wir national und international voran.

Wir schützen Geflüchtete

Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Europa umsetzen
Der Blockade einer gemeinsamen und humanen Flüchtlingspolitik zwischen den Mitgliedstaaten begegnen wir mit folgendem Plan: In gemeinschaftlichen von den europäischen Partnern geführten Einrichtungen innerhalb der EU an den rechtsstaatlich und europäisch kontrollierten EU-Außengrenzen sollen die Geflüchteten registriert werden und einen ersten Sicherheitscheck durchlaufen. So wissen wir, wer zu uns kommt, und werden zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht. Die Menschen, die nach Europa kommen, müssen medizinisch und psychologisch erstversorgt und menschenwürdig untergebracht werden. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände wie familiären Bindungen oder Sprachkenntnissen bestimmt die EU-Agentur für Asylfragen den Aufnahme-Mitgliedstaat. Der zugrundeliegende Verteilmechanismus stützt sich zunächst auf die Bereitschaft von Regionen und Städten, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Wer das tut, erhält Hilfe aus einem EU-Integrationsfonds. Reichen die Aufnahmeplätze nicht aus, weiten alle Mitgliedstaaten im Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungsgröße verpflichtend ihr Angebot aus oder leisten einen mindestens gleichwertigen Beitrag zu den Gesamtkosten. Das Asylverfahren findet im aufnehmenden Mitgliedstaat statt. Die Kommission stellt sicher, dass die gemeinsamen Regeln und Mindeststandards eingehalten werden. Wir werden mit handlungswilligen Ländern und Regionen vorangehen, um die derzeitige katastrophale Situation an den Außengrenzen zu beenden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager in Drittstaaten lehnen wir ab.

Familien zusammenführen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene Leben oder das der Familie riskieren müssen. Wir wollen sichere und geordnete Zugangswege schaffen. Wir treten dafür ein, die Einschränkungen beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre Kernfamilien ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Flüchtlingen gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge zu stellen, um die Wartezeiten für Visa von Familienangehörigen zu verkürzen. Auch mit humanitären Visa möchten wir Schutzbedürftigen die Möglichkeit geben, sicher nach Europa zu kommen und hier um Asyl zu ersuchen.

Sichere Zugangswege durch humanitäre Aufnahmepartnerschaft
Im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR werden durch die Vereinten Nationen anerkannte, besonders schutzbedürftige Geflüchtete solidarisch und geordnet auf die Aufnahmeländer verteilt, statt sie ihrem Schicksal auf gefährlichen Fluchtrouten zu überlassen. Im Globalen Pakt für Flüchtlinge ist die Weltgemeinschaft übereingekommen, das Resettlement zu verstärken. Doch faktisch sinkt die Zahl der Aufnahmeplätze seit Jahren. Wir schlagen vor, zusammen mit der neuen US-Administration und Kanada sowie anderen in einer globalen humanitären Partnerschaft die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Geflüchteter aus dem Resettlement-Programm deutlich auszubauen. Das individuelle Asylrecht bleibt durch das Resettlement unangetastet.

Landesaufnahmeprogramme ermöglichen
Mehrere Bundesländer und über 200 Kommunen in Deutschland sind bereit, mehr Geflüchtete als von der Bundesregierung zugesagt bei sich aufzunehmen. Wir wollen eine humanitäre Aufnahmepolitik, bei der der Bund und die Länder kooperativ zusammenarbeiten und die die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Ländern nicht mehr ignoriert. Länder und Kommunen sollen mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, wenn es um die humanitäre Aufnahme Geflüchteter geht. Mit einer Änderung der Zustimmungsregel zwischen dem Bundesinnenministerium und den Ländern von Einvernehmen in Benehmen wollen wir klarstellen, dass sich Bundesländer künftig über den Königsteiner Schlüssel hinaus selbstständig und frei für die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden können. Der Bund soll weiter die finanziellen und infrastrukturellen Aufgaben erfüllen.

Menschenrechte einhalten, Außengrenzen sichern
Wir streiten weiter für eine zivile und flächendeckende, europäisch koordinierte und finanzierte Seenotrettung. Wir stehen fest an der Seite zivilgesellschaftlicher Rettungsinitiativen und treten dafür ein, dass die Kriminalisierung und behördliche Behinderung ihrer Arbeit beendet wird. Wir wollen, dass die Seenotrettung explizit ins Aufgabenprofil von Frontex aufgenommen wird, und setzen auf eine europäische Grenzkontrolle, die den gemeinsamen Schutz der Menschenrechte zur Grundlage hat und wichtige grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ohne sie zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Völkerrechtswidrige Pushbacks, von nationalen Grenzpolizeien oder Frontex begangen, müssen geahndet werden. Das entsprechende Monitoring durch die EU-Grundrechteagentur wollen wir ausbauen. Es bedarf einer engen parlamentarischen Kontrolle von Frontex-Einsätzen sowie einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor Ort.

Aufnahme- und Transitländer unterstützen
Wir wollen die finanzielle und logistische Unterstützung von Erstaufnahme- und Transitländern sowie der dort tätigen Hilfsorganisationen ausbauen. „Migrationspartnerschaften“ mit repressiven Regimen lehnen wir ab genauso wie die Kooperation mit der libyschen Küstenwache. Statt „sichere Herkunftsländer“ zu definieren, brauchen wir für Rückführungen menschenrechtskonforme Rücknahmeabkommen. Wir wollen denjenigen Ländern, die ihren Staatsbürger*innen nach einer Rückkehr Sicherheit garantieren, im Gegenzug über Visaerleichterungen oder Ausbildungspartnerschaften verlässliche Aussicht auf eine geordnete Migration eröffnen. Rücknahmeabkommen dürfen aber nicht zur Bedingung in anderen Politikbereichen, etwa entwicklungspolitischer oder rechtsstaatlicher Unterstützung, gemacht werden und nicht für Drittstaatsangehörige gelten.

Fluchtursachen strukturell angehen
Viele politische Entscheidungen, die wir in Deutschland und Europa treffen, haben direkte Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen. Wir machen uns stark für zivile Krisenprävention und wollen mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Autokraten beenden. Wir setzen uns für ein gerechtes Handelssystem ein, das auch den Interessen des globalen Südens dient. Wir treiben die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft voran. Uns ist bewusst: Nicht alle Ursachen von Vertreibung können wir beeinflussen. Umso entscheidender ist konsequentes Handeln überall dort, wo auch unser Wirtschaften und Konsumieren andernorts zu Ausbeutung oder Perspektivlosigkeit führen.

Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung

Globale Krisenprävention
Unser Ziel bleibt langfristig der Aufbau eines kooperativen Weltwährungssystems. Der IWF muss in Krisensituationen sehr viel mehr Liquidität unkonditioniert bereitstellen können. Deutschland und Europa könnten vorangehen und nicht genutzte Sonderziehungsrechte Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, wie Kanada es bereits getan hat. Der IWF sollte Entwicklungsländern auch bei der Einführung und Durchführung von Kapitalverkehrskontrollen helfen. Das Stimmengewicht muss sich zugunsten von Entwicklungsländern verschieben. Die EU-Staaten sollten ihre Stimmrechte zusammenlegen.

Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen
Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines Etats für den Schuldendienst, aber nur zwei Prozent für Gesundheit aus. Wir brauchen einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen Währung verschuldet sind. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.

Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten
Nahrungsmittelpreise sind oft starken Schwankungen unterworfen. Verantwortlich dafür sind nicht nur Wetter und Ernten, sondern auch skrupellose Spekulanten, die fette Profite machen, wenn Menschen hungern. Wir werden uns in der EU für striktere Regulierungen einsetzen, um das Nahrungsmittelspekulation zu unterbinden.

Wir treten ein für Frieden und Sicherheit

Vorausschauend für den Frieden
Wir ergänzen den traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die Bedürfnisse von Menschen in den Fokus. Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken. Die personellen und finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und langfristig planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-Mediator *innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation aufbauen. Es gilt, Instrumente der Krisenfrüherkennung und Analysekapazitäten zu stärken, um auch die langfristigen Folgen der Pandemie abwenden zu können.

Internationale Politik feministisch gestalten
Frauen, Mädchen und marginalisierte Gruppen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und Armut betroffen. Es geht darum, die Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierte Gruppen zu stärken, zu schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens gleichberechtigt einzubeziehen. Dazu braucht es auch Genderanalysen für einzelne Länderkontexte, bedarfsgerechte Strategien und Genderbudgeting. Es gilt, die Umsetzung der VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ voranzutreiben, sexualisierte und genderbasierte Gewalt entschieden einzudämmen, die reproduktiven Rechte von Frauen zu schützen und die Sicherheit und Partizipation von Frauen und Mädchen in den Fokus zu nehmen.

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken
Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik sichert Zugänge zur Zivilgesellschaft vor allem in Krisenzeiten, stärkt demokratischen Austausch und baut neue Partnerschaften auf. Auch die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus werden wir durch internationale Kultur- und Jugendbegegnungen und durch zivilgesellschaftlichen Austausch stärken. Die Verantwortung für die koloniale Vergangenheit Deutschlands wollen wir zum Beispiel in gemeinsamen Geschichtsbuchkommissionen mit ehemaligen kolonialisierten Staaten aufarbeiten.

Europarat und OSZE stärken
Damit die Vision einer friedlichen Zukunft für alle Europäer*innen Wirklichkeit werden kann, wollen wir die gemeinsamen, über die EU hinausreichenden europäischen Institutionen wie den Europarat und die OSZE stärken und weiterentwickeln, um alle europäische Staaten einzubinden. Es bleibt Ziel, die östlichen Nachbarn Europas auf der Basis gemeinsamer Werte für eine solche Perspektive zu gewinnen.

Neuen Schub für Abrüstung
Unser Anspruch ist noch immer nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt. Wir wollen den transatlantischen Neustart nutzen, um mit den USA über Barack Obamas „Global Zero“ ins Gespräch zu kommen. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es nur über Zwischenschritte: Internationale Initiativen zur Reduzierung der Zahl von Atomwaffen, ein Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte über veraltete Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. Dazu gehört ein Deutschland frei von Atomwaffen und ein Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Wir wissen, dass dafür zahlreiche Gespräche im Bündnis notwendig sind, auch mit unseren europäischen Partnerstaaten, und vor allem die Stärkung der Sicherheit und Rückversicherung unserer polnischen und baltischen Bündnispartner.

Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Wir wollen eine gemeinsame restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und Sanktionsmöglichkeiten. Kooperationen mit dem Sicherheitssektor anderer Staaten müssen an die Einhaltung demokratischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Kriterien geknüpft werden. Für Deutschland werden wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen und ein Verbandsklagerecht bei Verstößen gegen das neue Gesetz einführen. Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte darf es nicht geben. Den Einsatz von Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wollen wir streng regulieren und private Militärfirmen verbieten.

Autonome tödliche Waffensysteme international ächten
Im Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze verstoßen, ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und Spionagesoftware.

Sicherheit im Cyber-Raum schaffen
Wir wollen den Einsatz von militärischen Cyberfähigkeiten durch die Bundeswehr ausnahmslos der parlamentarischen Kontrolle des Deutschen Bundestages unterstellen. Die Bundeswehr muss kontinuierlich an der Stärkung ihres Eigenschutzes arbeiten, ohne ihr defensives Selbstverständnis aufzugeben. Es braucht dringend eine internationale Initiative zur Rüstungskontrolle und vertrauensbildende Maßnahmen für den Cyberraum. Wir setzten uns für weltweit anerkannte Regeln im Cyberraum sowie eine Selbstverpflichtung ein, zivile Infrastruktur nicht militärisch anzugreifen.

Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Wir bekennen uns zu internationalen Friedenseinsätzen im Rahmen der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, Sicherheit und Frieden beitragen. Die Anwendung militärischer Gewalt als ultima ratio kann in manchen Situationen nötig sein, um Völkermord zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen. Ein Militäreinsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen-)Evaluierungen. Bei Eingriffen in die Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie Handeln.

Moderne Bundeswehr
Wir wollen die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher ausstatten. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen. Die Gesamtverantwortung für den Einsatz muss begründet, Informationen über alle Operationen im Einsatz den Verbündeten vollständig zugänglich sein. Die Bundeswehr soll die Vielfalt unserer Gesellschaft abbilden. Menschenfeindliche Ideologien und rechtsextremistische Strukturen in der Bundeswehr werden wir konsequent verfolgen und zerschlagen.

NATO strategisch neu ausrichten
Wir brauchen eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das willkürliche NATO-Zwei-Prozent-Ziel, das vor fast zwanzig Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein, die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den Nato-Partnern darüber das Gespräch suchen.

Die EU-Sicherheitsunion vorantreiben
Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine EU-Sicherheitsunion etablieren mit einem starken parlamentarischen Kontrolle und einer gemeinsamen restriktiven Rüstungsexportpolitik. Anstatt immer mehr Geld in nationale, militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die verstärkte Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausgebaut, militärische Fähigkeiten gebündelt und allgemein anerkannte Fähigkeitslücken geschlossen werden. Die Umwidmung ziviler Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische Zwecke lehnen wir ab.