Rad – und Fußverkehrskonzept

Seit Jahren von den Grünen gefordert  –  jetzt ist es da:

Wetzlar ist  eine Autofahrerstadt mit vierspurigen Straßen quer durch die Stadt. In den 70iger Jahren wurde alles dem Individualverkehr per Auto untergeordnet,- es entstand die autogerechte Stadt .Für Planungen oder gar Investitionen in ein Radwegenetz für Wetzlar wurden keine Mittel in den Haushalt eingestellt. Ein Konzept für die gesamte Stadt hat es nie gegeben, es blieb bei einem unzulänglichen Stückwerk  wie die „Bonsai-Radwege“ im Karl-Kellner-Ring und Moritz-Hensoldt-Straße oder Radwege, die abrupt enden, einer sogar unmittelbar vor einem Treppenabgang. Als Argument gegen eine Investition zur Verbesserung der Fahrradwege musste oft unsere Topografie herhalten, – „hier gibt es doch eh nicht viele Radfahrer“. Auch Fußgänger wurden bei Planungen oft nur unzureichend  berücksichtigt, nicht hur in Wetzlar. 

Zwei Entwicklungen der letzten Jahre bestärken uns in unserer Absicht, bessere Voraussetzungen für den Rad- und Fußverkehr zu schaffen. Erstens die Zunahme an E-Bikes, mit denen ein Radfahrer nun auch den Philosophenweg oder die Bergstraße schafft. Und zweitens der Klimawandel, der uns zwingt, den klimafreundlichen Verkehrsteilnehmern bessere Bedingungen zu schaffen, – das sind nun einmal Radfahrer und Fußgänger.

In Wetzlar gibt es mittlerweile einen Fahrradbeauftragten, einen Klimaschutzmanager und demnächst ein Bodenschutzkonzept, und zwar auf Initiativen von Bündnis 90/Die Grünen und mit den beiden Koalitionspartnern SPD und FW umgesetzt . Als weiteres grünes Projekt ist das Rad- und Fußverkehrskonzept  in Auftrag gegeben, um den Ist-Zustand zu ermitteln, Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer zu erarbeiten und neue Wege in der Mobilität zu finden.

Das von IKS (Ingenieurbüro für Stadt- und Mobilitätsplanung) erarbeitet Konzept umfasst rund 180 Seiten und gibt zu Beginn einen Überblick über den jetzigen Stand. Erwähnt werden dabei auch kleine Verbesserungen, die bereits umgesetzt wurden, wie z.B. die Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung oder der barrierefreie  Umbau des Leitzplatzes. Die Aktion „Stadtradeln“ bewirkte ein verstärktes Wahrnehmen der Radfahrer als Verkehrsteilnehmer.

Die Verkehrszählungen des IKS ergaben, dass in Wetzlar nur 3% der Verkehrsteilnehmer mit dem Rad unterwegs sind, in anderen hessischen Städten wie Fulda oder Marburg liegt der Anteil bei 6 % bzw. 9%. Mit der für Wetzlar angestrebten Steigerung auf 7% würde bereits eine Einsparung von 1.100 t CO2  im Jahr erreicht werden. Eine solche Steigerung wird aber nicht möglich sein ohne eine deutliche  Verbesserung der Wege für Radfahrer.

Die Konzepterstellung fand mit großer Bürgerbeteiligung statt, es gab zwei Workshops, bei denen viele interessierte Bürger  beteiligt waren und ihre Wünsche und Vorstellungen zum Rad- und Fußverkehr äußern konnten .Ein Begleitgremium aus interessierten, sachkundigen Bürgern und je einem Politiker aus jeder Stadtfraktion hat den gesamten Prozess begleitet.

Im Konzept wird ein Radwegenetz mit Haupt- und Nebenrouten dargestellt und zwei touristische Routen vorgeschlagen. Dazu gibt es eine Fülle von Vorschlägen zur Verbesserung der Infrastruktur für den Rad- und Fußverkehr, die zum Teil recht einfach und preiswert umzusetzen sind. Es wird aber auch Wünschenswertes aufgeführt, wie Fahrradschnellstraßen, die mit hohen Kosten verbunden sind. Die Vorschläge sind eingeteilt in Sofortmaßnahmen und mittelfristig oder langfristig umzusetzende Verbesserungen. Für fast alle Maßnahmen ist auch eine Kostenschätzung angegeben, so dass auch die Belastung für den städtischen  Haushalt abgewogen werden kann. 

Das Kapitel zum Fußverkehr enthält viele Vorschläge, die vor allem die Sicherheit betreffen. Gerügt werden zu geringe Gehwegbreiten und fehlende behindertengerechte Übergänge bzw. Querungshilfen. Die Einrichtung von Tempo 30 an verschiedenenStraßenabschnitten wird ebenfalls empfohlen. 

Das Rad- und Fußverkehrskonzept dient als Handlungsrahmen für die Verwaltung, die bei zukünftigen Planungen alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt  berücksichtigen soll. Jede einzelne Maßnahme  muss aber vor ihrer Umsetzung auch zukünftig von Magistrat und  Stadtverordnetenversammlung beschlossen  werden. Es sollten möglichst zügig einige  Vorschläge umgesetzt werden, damit sich Wetzlar auch in Sachen Mobilität weiterentwickelt hin zu klimaverträglicher Mobilität. Mehr Wetzlarer, die das Rad benutzen, mehr zufrieden bummelnde Fußgänger und nicht zuletzt mehr Radtouristen bedeuten weniger CO2 und  andere Schadstoffe in der Luft und eine bessere Aufenthaltsqualität in der Stadt. Viele Vorschläge liegen jetzt auf dem Tisch – sie müssen abgewogen, diskutiert und bei positivem Ergebnis beschlossen werden.

Dr. Heidi Bernauer-Münz

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2 Kommentare

  1. Dieser Artikel liest sich doch ganz geschmeidig. Ich fahre mit meinem 7jàhrigen Sohn jedenfalls nicht steil bergauf (am besten nicht wackeln, da Lebensgefahr!) am schmalen rechten Fahrbandrand während Autos mit (theoretisch) 50km/h an uns vorbei brausen. In Wetzlar fangen auch die neuen Radwege im Nichts an und hören dort auch auf. Ach, das ist so geplant gewesen..?

    1. Der Artikel beschreibt ja leider die Ausgangslage in Wetzlar sehr gut. Wetzlar ist seit den Baumaßnahmen der 70er eine absolute Autostadt, wo an Radwege nicht gedacht wurde. Das merkt man leider jeden Tag. Deswegen ist das von uns auf den Weg gebrachte Rad- und Fußverkehrskonzept der erste Schritt, an dieser Autoausrichtung etwas zu ändern. Das davon in der kurzen Zeit, seit wir dieses Konzept haben, noch nicht alles umgesetzt ist, ist leider auch klar. Aber wir kämpfen dafür, dass es mit jeder Baumaßnahme besser wird.